Meine liebe LeserInnenschaft, ja, es gibt mich noch. Im Gewusel der Grossstadt halte ich meinen Kopf tapfer über Wasser und fahre inzwischen gerade so gelassen U-Bahn wie die hier Aufgewachsenen (es gibt sie tatsächlich!). Der Trick ist, dass man sich einfach nicht anmerken lässt, wie sehr man diese stinkige, hitzige Röhre eigentlich verabscheut. Klar, die Füsse tun weh, oder der Rücken, oder der Kopf, und eigentlich hätte man den Sitzplatz doch eigentlich viel nötiger als der junge Schnösel oder die aufgekratzten Touristen, aber was soll's. Wenn die Haustür hinter einem ins Schloss fällt, ist das alles schon ganz weit weg. Beine hoch, Algerien - Russland gucken, und langsam wegdösen.
Was zieht in London lebende SchweizerInnen in Massen in die Kirche? Die tiefsinnigen Predigten der Pfarrerin? Der hochbegabte Organsist? Die leckere Supper des Gemeindearbeiters? Falsch! Zweiundzwanzig Männer und ein Ball. Beim Spiel Frankreich - Schweiz wurde die Kirche regelrecht überflutet (250 Menschen) und das Appenzeller Bier war schon vor dem Anpfiff ausverkauft. Die bittere Niederlage musste mit Bier aus der Büchse vom lokalen Lädeli runtergespült werden. Sagt man. Denn ich war gar nicht da, sondern in Niederteufen, in der echten Schweiz. Obwohl Covent Garden an jenem Abend auch ein bisschen Schweiz war.
Bei meiner nächsten Predigt versuch ich's mal mit Tschüttelerschuhen und einem Fan-T-Shirt. Auch Abendmahlbier statt Abendmahlwein wäre vielleicht eine Überlegung wert.
Aber zuerst geht es ab nach Holland, nicht zum Fussball schauen, sondern ins Dominikanerinnen-Kloster Huissen, wo ich mit Kolleginnen aus Belarus, Schottland und Deutschland das erste europäische 'Pop Up Monastery' (neudeutsch für Kloster auf Zeit) für Frauen plane. Das findet im August 2015 im Kloster Mariensee bei Hannover statt. Frauen aus allen europäischen Ländern werden sich zwei Wochen zum Beten, Pilgern, Denken, Gärtnern, Singen, Diskutieren und Kochen treffen. Und vielleicht liegt ja auch irgendwo auch ein Fussball im Gebüsch.