Vielleicht ist dies der Anfang des Buches, das ich schon lange hätte schreiben sollen. Wahrscheinlich wird dies eine Blog-Serie, die schon lange fällig war, aber die ich irgendwie übersehen habe, weil Frausein für mich der alltägliche und eingefleischte 'Normalfall' ist. Geschichten habe ich Dutzende im Köcher: Skurrile, befreiende, erschütternde Geschichten. Geschichten von unerfüllten Träumen und innerer Zerbrochenheit, Geschichten von spiritueller Befreiung und gemeinsamem Aufbruch. Sie sind alle irgendwie verbunden mit diesem einen Thema: Frau und Kirche... und die Ordinationsfrage.
Historisch, ökumenisch, liturgisch, gesellschaftlich, modisch, emotional, biologisch: Alle geschilderten Erlebnisse haben so statt gefunden. Und nun geht's los:
Seit 2010 bin ich engagiert im Ökumenischen Forum Christlicher Frauen in Europa. Davor habe ich vier Jahre lang für die Konferenz Europäischer Kirchen gearbeitet. Meine Ausbildung zur Pfarrerin habe ich in der ökumenischen Gemeinde Halden in St.Gallen absolviert. Ökumene ist in meinem Blut und prägt mich als Pfarrerin. Ich meine damit weit mehr als das nette Zusammensein und Feiern mit der katholischen Nachbargemeinde. Ich meine das Verwobensein, Streiten, gemeinsame Weinen und Hoffen, das Abgelehntsein und trotzdem Freunde sein, das Aushalten unüberbrückbarer Differenzen mit orthodoxen, christ- und römisch-katholischen, methodistischen und baptistischen, lutherischen und reformierten Frauen (und Männern). Ich meine das tiefe Erleben und Entdecken, wie anders die anderen sein können - zum Verzweifeln und Jubeln anders.
Letzte Woche war ich in Griechenland auf der orthodox-katholischen Insel Tinos an der Generalversammlung des Frauenforums. Am ersten Abend sass ich neben einer Griechin, so ungefähr mein Alter, Tänzerin und Künstlerin, und wir verstanden uns blendend.
"Und was machst du so in deinem Leben?", fragt sie mich. "Ich bin Pfarrerin." Sie schaut mich irritiert an. "Was ist das?" Ich zeige zum Nebentisch, wo ein katholischer, ein evangelischer und ein orthodoxer Priester in ihren schwarzen Roben sitzen: "So wie die, in der Kirche." - "Priesterin?" - "Ja so quasi. Mit Abendmahl und Taufen, Beerdigungen und Hochzeiten und auch so einer Robe." - "Das gibt es??", fragt sie. "Wo gibt es denn das?", fragt sie. Ich erkläre ihr die Sache mit der Frauenordination in der reformierten Kirche. Ihre Augen werden immer grösser. "That's beautiful, I didn't even know women could be priests!" Uns war beiden nach Weinen und Lachen zugleich.
"Setzt du das Abendmahl ein?" - "Ja, auch." - "Mein Priester sagt, ich dürfe nicht zur Heiligen Kommunion, wenn ich meine Tage habe..." Sie zögert, dann flüstert sie: "Wie ist das denn, wenn du deine Tage hast?" - "Dann teile ich auch das Abendmahl aus", sage ich. "That's amazing, so you're fully accepted with your female body", ruft sie aus. Naja, solange ich es nicht thematisiere wohl schon, denke ich mir.
Wir tauschen Nummern aus und sie fragt mich, ob sie auf ihrem nächsten London-Besuch in meine Kirche kommen kann, um am Abendmahl teilzunehmen. Ja, das kann sie.
Blut Christi, für uns gegeben.