Montag, 10. März 2014

Warum Fasten kein Verzicht ist

Zwingli nahm es locker mit dem Fasten. "Kein Christ ist zu den Werken, die Gott nicht geboten hat, verpflichtet. Er darf also zu jeder Zeit jegliche Speise essen", sagt der Zuercher Reformator. Das Fasten ist in der schweizerischen reformierten Tradition nicht verankert. "Wem das Fasten hilft, zu Gott zu kommen, der faste. Wer auch ohne Fasten die Ruhe, Tiefe und Zeit hat, zu Gott zu finden, der faste nicht," heisst es auf der Webpage der Reformierten Kirche des Kantons Zuerich. Das Fasten wurde in den reformierten Kirchen ueber lange Zeit kaum thematisiert, doch so langsam schleicht sich die christliche Tradition in reformierte Kirchenbaenke zurueck. Das Netzwerk Junge Erwachsene der St.Galler Kantonalkirche zusammen mit dem Bistum St.Gallen fuehrt jedes Jahr die Aktion '40 Tage ohne' durch - da Fasten zusammen einfacher geht. Man tauscht sich aus und kriegt Gedankenanstoesse, die durch die Fastenzeit begleiten.

Traditionen und Konfessionen beiseite - was bringt fasten? Warum tun es immer mehr? Ich habe letztes Jahr zum ersten Mal gefastet, eine neue Art von Fasten, bei der Zwingli wohl nur verwirrt mit den Schultern gezuckt haette: Facebook-fasten. Social Media fasten ist der neueste Fastentrend - und tut genau das mit uns, was wir uns vom Fasten erhoffen: es transformiert.

Bei mir ging das so: Irgendwann im Januar 2013 hat mein Freund besorgt zu mir gesagt, dass ich ja gar keine Buecher mehr lese. Er habe mich schon seit Monaten nicht mehr mit einem Buch in der Hand gesehen. Seit meinen ersten Leseversuchen bin ich als Buecherwurm bekannt, habe mich in der Schule heimlich vom Pult unter den anderen Pulten durch in die Leseecke geschlichen (im Glauben der Lehrer sieht's nicht - der hat aber wohl eher gedacht, da hinten ist sie wenigstens ruhig, tu ich mal lieber so als ob...), habe wagemutig beim Gehen gelesen und mein Leben einigen vorsichtigen AutofahrerInnen zu verdanken, habe meine Buecher in einem Baumloch auf der Bluteiche im elterlichen Garten versteckt, wo ich in angenehmer Hoehe gelesen habe, bis die Buecher von Wuermern zerfressen waren (unersetzliche Biologie-Lektion!). Ich habe nicht mehr gelesen. Das Smartphone hatte meine Konzentrationsfaehigkeit regelrecht zerstoert. Ich war nur noch auf das High der schnellen Information aus, statt auf den entspannenden Effekt des Buchlesens.

40 Tage Facebook Fasten, und ich las wieder. Zwar klebe ich ein Jahr spaeter genauso wieder an meinem bloeden Smartphone (Inbegriff der Hassliebe), aber ich bin auch immer an einem Buch, und wenn ich eins ausgelesen habe, muss das naechste her. Das mit dem Kindle habe ich probiert, aber es hat nicht geklappt. Der hat nur zum Lesestopp beigetragen. Heute schleppe ich wieder richtige Buecher mit in die U-Bahn - die beste Lesestube der Welt.

Ich war beeindruckt vom tranformativen Effekt des Fastens, und wollte dieses Jahr wieder etwas fasten, das mich zu mir zurueckbringt. Und so verzichte ich auf den guten alten Alkohol, der Fastenklassiker, der innert dreier Tage zu den gewuenschten Effekten fuehrt: tiefer Schlaf, innere Ruhe, und einen hellwachen Geist. Transformiert Koerper und Geist in Nullkomanichts! Fleisch habe ich grad auch dazugenommen: wenn schon, dann richtig. Interessanterweise nehme ich das Fasten gar nicht als 'Verzicht' sondern als Gewinn wahr. Man koennte es glatt das ganze Jahr tun.

Aber ich freue mich dann doch wieder auf ein grosses Steak mit Bier im pfarrhaeuslichen Garten.


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