Man kommt ja kaum zum Bloggen im Pfarramt. Das hat mir natürlich wieder keiner gesagt! Aber so leicht lasse ich mich nicht unterkriegen. Nein. So leicht nicht.
Heute ist Besuchstag. Mittagessen war ich mit SEK Präsident Gottfried Locher in Chinatown. Als ehemaliger Pfarrer an der Swiss Church zieht es ihn immer wieder zurück an seinen ehemaligen Arbeitsplatz. Godi und Barbara Locher sind ja eigentlich dafür verantwortlich, dass ich nach mehr als zehn Jahren wieder einmal einen Kuchen gebacken habe (was mir viele Gemeindepunkte einbrachte). All die Brombeeren, Himbeeren und Stachelbeeren im Pfarrhausgarten stammen nämlich aus der Locher-Ära. Danke, gell! Der Stachelbeerichueche war ein grosser Erfolg.
Natürlich haben wir uns auch über die finanzielle und strukturelle Ablösung der Swiss Church vom SEK unterhalten. Von dieser Ablösung ist schon seit einigen Jahrzehnten die Rede, doch an meiner Amtszeit wird der Kelch nun nicht mehr vorüber gehen. Ich werde die Übergangs- oder Untergangspfarrerin in eine (oder keine) neue Ära der Schweizer Kirche sein. Das rege Interesse an der Swiss Church und an London in der Schweizer Kirchenlandschaft spricht jedoch eher für einen Übergang, ja sogar für eine blühende Zukunft der Swiss Church in Covent Garden.
Womit wir bei Besuch Nummer zwei wären. Heute Nachmittag kommt Pfarrerin Maja Zimmermann vom Berner Münster zu Besuch - nur gerade zwei Wochen, nachdem die Berner VikarInnen in London unterwegs waren. Dass die Swiss Church in London für viele eine Anlaufstelle ist und bleibt, ist eine wunderbare Erfahrung, die ich mir in diesem Ausmass niemals erträumt hätte. Es ist fast, als liege die Schweiz um die Ecke...
Aber doch nur fast. Denn gewisse Dinge sind auch wieder fürchterlich weit weg. So liegen die Aus- und Weiterbildungen, die mir als Pfarrerin in den ersten Amtsjahren zustehen, in weiter Ferne - sowohl finanziell als auch geografisch. Ich stehe auf einsamen Posten, weit weg von Intervisionsgruppen, Mentoren und Aufbaukursen.
Doch zum Glück gibt es Kollegen und Kolleginnen, die mich immer mal wieder in London aufsuchen. Ihr wisst es vielleicht nicht, aber ihr seid alle Teil meiner flexibel-mobilen-informellen Intervisionsgruppe. Ihr seid meine Fort- und Weiterbildungskurse. Danke für den Besuch! Und wenn ihr im Sommer kommt, dann sind ja vielleicht gerade die Locherschen Brombeeren und Himbeeren reif...
Mittwoch, 31. Juli 2013
Freitag, 12. Juli 2013
Kein Platz in dieser Welt
Chelsea ist die Gegend der Reichen und Schönen. Die üblichen High Street Shops (Mango, Banana Republic, Zara etc) haben keine Filialen, denn das hier ist das Revier von Stella McCartney, Chanel und co. Die weissen Häuserfassaden erinnern an Zahnpastawerbung und bieten einen elegant-kühlen Kontrast zu den schwarzen Edelkutschen, die davor parkiert sind. Ich kenne mich in dieser Gegend nicht aus, denn ausser dem V&A Museum und den ausgestopften Vögeln im naturhistorischen Museum gab es bisher kaum Grund hierher zu kommen. Bis heute.
Heute besuche ich Frau S. in den subventionierten Wohnungsblöcken des Edhar Court. Frau S. war früher einmal Stewardess einer europäischen Airline. Woher sie ursprünglich kommt, kann sie mir nicht genau sagen. Zu viel ist sie gereist, schon als kleines Kind mit ihrer Mutter. Wir sprechen französisch miteinander. Sie erzählt von ihrem Neffen in Frankreich und ihren ehemaligen Arbeitskolleginnen in Kanada. Frau S. kann kaum mehr gehen und ist in ihrer Wohnung in Chelsea gefangen. Wäre da nicht ihr "Engel", Jamira, eine philippinische Frau in meinem Alter, die bei Frau S. wohnt und sie Tag und Nacht pflegt, um ihren kranken Eltern in den Philippinen den Arzt bezahlen zu können und für ihr Stipendium als Medizinstudentin zu sparen.
Frau S. sagt sie weine oft und sehne sich nach Gesprächspartnerinnen, mit denen sie über Politik, Gesellschaft und Geschichte reden kann. Sie will die Welt in ihr Wohnzimmer holen. Sie sehnt sich danach, zu einem Kreis von Menschen zu gehören, die sich wöchentlich bei ihr zuhause treffen.
Nirgends hat Einsamkeit ein so brutales Gesicht, wie in einem der wohlhabendsten Grossstadtvierteln der Welt, wo scheinbar alle alles haben. Frau S. hat keinen Platz mehr in dieser Welt.
Beim Verabschieden frage ich mich, wie oft Jamira nachts wohl heimlich in ihr Kissen weint. Sie hat noch nie einen Platz in dieser Welt gehabt. Und so wirklich einen Platz hat sie nicht einmal in der Welt von Frau S.
Heute besuche ich Frau S. in den subventionierten Wohnungsblöcken des Edhar Court. Frau S. war früher einmal Stewardess einer europäischen Airline. Woher sie ursprünglich kommt, kann sie mir nicht genau sagen. Zu viel ist sie gereist, schon als kleines Kind mit ihrer Mutter. Wir sprechen französisch miteinander. Sie erzählt von ihrem Neffen in Frankreich und ihren ehemaligen Arbeitskolleginnen in Kanada. Frau S. kann kaum mehr gehen und ist in ihrer Wohnung in Chelsea gefangen. Wäre da nicht ihr "Engel", Jamira, eine philippinische Frau in meinem Alter, die bei Frau S. wohnt und sie Tag und Nacht pflegt, um ihren kranken Eltern in den Philippinen den Arzt bezahlen zu können und für ihr Stipendium als Medizinstudentin zu sparen.
Frau S. sagt sie weine oft und sehne sich nach Gesprächspartnerinnen, mit denen sie über Politik, Gesellschaft und Geschichte reden kann. Sie will die Welt in ihr Wohnzimmer holen. Sie sehnt sich danach, zu einem Kreis von Menschen zu gehören, die sich wöchentlich bei ihr zuhause treffen.
Nirgends hat Einsamkeit ein so brutales Gesicht, wie in einem der wohlhabendsten Grossstadtvierteln der Welt, wo scheinbar alle alles haben. Frau S. hat keinen Platz mehr in dieser Welt.
Beim Verabschieden frage ich mich, wie oft Jamira nachts wohl heimlich in ihr Kissen weint. Sie hat noch nie einen Platz in dieser Welt gehabt. Und so wirklich einen Platz hat sie nicht einmal in der Welt von Frau S.
Mittwoch, 10. Juli 2013
Ehrenmitglied der Church of England
Die Vollversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen in Budapest war inhaltlich eher ein Krampf. Strukturelle Fragen und die Verabschiedung einer neuen Verfassung haben die Gemüter erhitzt und zum einen oder anderen unschönen Konflikt geführt. Die Breitenwirkung der 14. KEK Vollversammlung lässt sich daran messen, dass die meisten Medien (auch ref.ch) die Headline "KEK verlegt den Sitz von Genf nach Brüssel" gewählt haben. Sehr viel mehr gibt es wirklich nicht zu sagen, ausser dass die KEK Frauen- und Jugendquoten nach zwanzig Jahren gestrichen hat, zahlreiche ökumenische Partnerorganisationen ihren Beobachterstatus verloren haben (zwecks Verschlankung der Strukturen, what else!) und unter dem Druck der orthodoxen Brüder und Schwester die Formulierung 'Worship together' durch 'Pray together' ersetzt wurde.
Gute Nachrichten gibt es dennoch für die Schweizer Kirche in London. Eine europäische Kirchenversammlung lohnt sich nämlich alleweil zum Pflegen alter Kontakte und zum Ausbau neuer Netzwerke. Der neue Pfarrer der Dutch Church in London, Rev Joost Roselaers, war Mitglied der niederländischen Delegation und wir konnten bereits Pläne zur Zusammenarbeit schmieden. Der Vertreter der Churches Together in Britain and Ireland (CTBI), Rev Bob Fyffe, hat Interesse angemeldet, die Schweizer Kirche für die CTBI Versammlungen zu mieten. Und Canon Robert Jones hat sich für Gottesdienststellvertretungen angeboten.
Die Delegation Grossbritanniens wurde zu meiner neuen Heimat. Der Bischof von Guilford, Christopher Hill, hat mich beim feierabendlichen Bier in der Hotellobby kurzerhand zum Ehrenmitglied der Church of England ernannt - er ist jetzt Präsident der Konferenz Europäischer Kirchen. Congratulations!
Soll mal einer sagen, die KEK Vollversammlung trüge keine Äpfel.
Gute Nachrichten gibt es dennoch für die Schweizer Kirche in London. Eine europäische Kirchenversammlung lohnt sich nämlich alleweil zum Pflegen alter Kontakte und zum Ausbau neuer Netzwerke. Der neue Pfarrer der Dutch Church in London, Rev Joost Roselaers, war Mitglied der niederländischen Delegation und wir konnten bereits Pläne zur Zusammenarbeit schmieden. Der Vertreter der Churches Together in Britain and Ireland (CTBI), Rev Bob Fyffe, hat Interesse angemeldet, die Schweizer Kirche für die CTBI Versammlungen zu mieten. Und Canon Robert Jones hat sich für Gottesdienststellvertretungen angeboten.
Die Delegation Grossbritanniens wurde zu meiner neuen Heimat. Der Bischof von Guilford, Christopher Hill, hat mich beim feierabendlichen Bier in der Hotellobby kurzerhand zum Ehrenmitglied der Church of England ernannt - er ist jetzt Präsident der Konferenz Europäischer Kirchen. Congratulations!
Soll mal einer sagen, die KEK Vollversammlung trüge keine Äpfel.
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