Mittwoch, 11. Januar 2012

And the Seelenstriptease Award goes to....

Langsam gehe ich mir selber auf die Nerven! Lernt man doch schon als kleines Kind, dass sich nicht alles immer nur um einen selber dreht. Besonders Mädchen haben sich von dieser in Verruf geratetenen Eigenschaft zu distanzieren. Und als Pfarrerin sollte man erst recht ganz und gar selbstlos sein! Die Kombination meines Geschlechts mit meinem Beruf ist für die vikariätliche Nabelschau denkbar ungünstig.

Denn es dreht sich ganz viel immer wieder um einen selbst. Und ist die Runde fertig gedreht, geht sie wieder von vorne los. Der Fragebogen zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung beinhaltet 210 Punkte zur Selbsteinschätzung. Da soll man sich 210mal auf einer Skala von 1 bis 6 selber einstufen. Zum Beispiel:

Menschen, die sehr schnell Kontakt knüpfen, irrtieren mich.


Manchmal muss man meinen Tatendrang bremsen.


Anderen gegenüber bin ich misstrauisch.


Ich bin frei von Ängsten.


Das ist wie ein besonders langer Brigitte-Persönlichkeitstest, aufgrund dessen ein berufsbezogenes Profil erstellt wird. Hat man sich dann mal durch diese Fragen durchgekaut, zögerlich und zweifelnd, manchmal aber auch beherzt und selbstbewusst angekreuzt, kommt der nächste Abgabetermin: der Vikariatszwischenbericht ist fällig! Hier sind gefragt:

Mein eigener genereller und zusammenfassender Eindruck von mir als Vikarin


Der Stand meines Lernweges in den vier Handlungsfeldern Unterricht, Gottesdienst, Gemeindeaufbau und Seelsorge


Meine Positionierung in Bezug auf neun Kernkompetenzen wie zum Beispiel Teamfähigkeit und innere Überzeugung


Woher komme ich? Wer bin ich? Wohin gehe ich? Die grossen Fragen des Lebens liegen in Greifweite und entgleiten doch mit jedem Kreuzchen in weite Ferne. Es ist, wie wenn man sich selber in eine Form giessen müsste, im Hintergrund ständig das Bewusstsein um das Unbewusstsein, das seit C.G. Jung in unseren Köpfen unbekannterweise dauerpräsent ist.

Meine derzeitige Bettlektüre "Die Feigheit der Frauen" von Bascha Mika (ehemalige taz-Chefredakteurin und damit eine der ganz, ganz wenigen Frauen, die je einer grossen deutschsprachigen Tageszeitung vorstanden und deshalb weiss, wovon sie spricht) erinnert mich ständig daran, dass ich mich diesen Kreuzchen und Fragebögen gefälligst zu beugen hätte. Dass ich mich mit diesen Kreuzchen und Sätzen zu einer durchsetzungsfähigen Berufsfrau mausere, die sich nicht so leicht ans Bein pinkeln lässt. Und dass ich meine Gewissensbisse bezüglich meiner Selbstumrundung gefälligst dem hehren Ziel der beruflichen und gesellschaftlichen Gleichstellung der Geschlechter unterzuordnen hätte.

Danke, Bascha Mika! Ihnen widme ich den nächsten Brigitte-Persönlichkeitstest!

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