Montag, 2. Januar 2012

War da was?

Da war doch was... Weihnachten, Silvester, Neues Jahr. War das schon?

Einmal reingerast, durchgeschüttelt und hinten wieder rausgespickt reibe ich mir ungläubig die Augen. Blick zurück auf die letzten zehn Tage. Wow! Das machen Pfarrer und Pfarrerinnen also Jahr für Jahr! Das Gesamtchaos lässt sich kaum in Worte fassen, obwohl ich mich arbeitstechnisch nur gerade der Hälfte der zu absolvierenden Gottesdienste angeschlossen habe: Heiligabend um 22:30 und Neujahr um 12 Uhr. Kombiniert aber mit der Nervosität der Lernenden, der überdurchschnittlich vollen Kirche und der erstmaligen Einsetzung des Abendmahls zusammen mit dem Lehrpfarrer war die Intensität stark genug. Am Heiligabend war ich gesamtfamiliär gesehen mit meiner konsequenten Nüchternheit denn auch auf weiter Flur alleine. Während sich meine Liebsten richtig feierlich gehen lassen konnten, sich dem Glanz der Christbaumlichter und dem schmelzenden Käse im Racletteofen hingaben, repetierte ich im Kopf wieder und wieder die Einsetzungsworte des Abendmahlweins. "Er nahm den Wein, dankte, gab ihn seinen Jüngerinnen und Jüngern und sprach: nehmt und trinkt. Der Wein ist ein Zeichen der Tränen, die für euch vergossen worden sind." Der dramaturgische Anspruch kam noch hinzu, und so übte ich mit dem Weissweinglas am Familientisch die entsprechende Bewegung, was mich einigermassen beruhigte und lockerte.

In der Kirche, neben den weihnächtlichen Routiniers des Gemeindeteams, tigerte ich aufgeregt die Sakristei auf und ab und sprach mir die Worte nochmals vor dem Spiegel vor. Es war soweit. Die wunderschön feierlich geschmückte Kirche war voll, die Kirchenglocken verstummten. Das erste Abendmahl ging vorbei, wie damals die erste Predigt, die erste Schullektion und das erste Jugend-Weekend. Es war feierlich und schön und ich fühlte mich dabei überhaupt nicht so fehl am Platz, wie ich das im Vorfeld befürchtet hatte. Manche Dinge muss man einfach ausprobieren und schauen, wie sich das anfühlt. Neben mir mein Lehrpfarrer, der im Notfall die Situation schon gerettet hätte, vor mir die Konfirmanden und Konfirmandinnen, die mir ermutigend zulächelten, und in der Gemeinde viele bekannte Gesichter, zu denen ich mittlerweile dazu gehörte. Die verinnerlichten Worte kamen, der Kelch zerbrach nicht auf dem Boden und die Atmosphäre in der Kirche erreichte einen feierlichen Höhepunkt. Da war was.

Die Rolle der Pfarrerin wächst mir ganz allmählich an den Leib. Das fühlt sich gleichzeitig eigenartig und erfreulich an. Rückblickend auf die erste Hälfte des Vikariats (weil Jahresrückblicke ja irgendwie dazu gehören) finde ich diesen Beruf einen der schönsten der Welt. Man wächst da so rein - ja, sogar in den Pfarrberuf! Einzelne Handlungen und Abläufe werden zur Gewohnheit: wie das Predigen, das Einsetzen des Abendmahls und das laute Mitsingen der Kirchenlieder. Ein nicht ganz gewöhnlicher Beruf, zugegebenermassen, aber ein emotionaler, engagierter, sozialer und feierlicher. Ein Beruf, der mich als Menschen herausfordert und aufrüttelt, der Menschen zusammenbringt und begleitet.

Ja, da war was.



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