Hassan lebt im
Container. Der Container steht am Rande von Mels, einem kleinen Dorf bei Sargans, im Heidiland, wo die Schweiz eine Karikatur ihrer selbst ist. Der Container misst etwa
7x2 Meter. Darin gibt es acht Schlafplätze, wackelige Pritschen, die in einem Ferienlager für Schweizer Kinder wohl kaum zulässig wären. Gerade vor einigen Tagen hat der Leiter des Sozialamtes Hassan und seinen zwei Mitbewohnern das Aufladegerät fürs Mobiltelefon weggenommen. Braucht zuviel Strom. Das passiert nun schon zum dritten Mal, und jedes Mal muss der Gemeindepräsident persönlich eingeschaltet werden, damit Hassan seine Habe zurückkriegt. Dabei kriegen die Container-Bewohner Unterstützung von Freiwilligen des Solidaritätsnetzes Ostschweiz.
Unter der brütenden Augustsonne stehen wir auf dem grossen Kiesplatz vor dem Container um eine grosse
Holzplatte herum, die auf zwei Hockern steht. Andreas Nufer, mein Lehrpfarrer, und die Mitglieder des Soldaritätsnetzes Ostschweiz haben den Tisch gedeckt. Wir teilen
Brot und Wasser. Der Reihe nach stellen wir uns vor, aus Afghanistan, Iran, Somalia oder der Schweiz kommend. Die anwesende Journalistin macht Notizen. Morgen soll diese Aktion in den Medien präsent sein.
Wir sind nach
Mels gekommen, um eine
Petition an die Bundespräsidentin nach Bern zu schicken. Gleichzeitig werden rund 300 Begleitbriefe an alle ParlamentarierInnen geschickt, die das Anliegen der Petition erklären: Dass die
Nothilfe nach Nichteintretensentscheid auf ein Asylgesuch abgeschafft wird und diejenigen Menschen, die trotz negativem Entscheid in der Schweiz bleiben müssen, unter menschenwürdigen Umständen leben können. Das heisst konkret: Das Recht zu arbeiten, das Recht zu heiraten und das Recht auf eine existenzsichernde Sozialhilfe wieder einzuführen... im Einklang mit der Menschenrechtskonvention. Der Melser Poststempel verleiht der Aktion symbolischen Charakter und würdigt die Bewohner des Containers.
Menschen wie Hassan leben von
8 Franken "Nothilfe" pro Tag, teilweise seit über 10 Jahren. In der Schweiz haben sie
kein Anrecht auf Asyl, doch sie haben keinen Ort auf der Welt, wo sie hingehen könnten. Sie sind vom Goodwill des Gemeindesozialamtes abhängig. Mels ist ein Negativ-Beispiel, wie Menschen in Notlagen mit Füssen getreten werden. Der Container ist eine äusserst dürftige Unterkunft. Kochgelegenheiten gibt es keine - nicht erlaubt. Der Leiter des Sozialamtes bestimmt
willkürlich über den Besitz der Bewohner. Privatsphäre gibt es keine. Geheizt wird nur wenige Stunden am Tag. Doch das ist heute nicht das Problem. Es ist brütend heiss im Container. Bei Aussentemperaturen von 35 Grad gleicht der Raum einer Sauna. Hassan hat die letzten Nächte kaum geschlafen. Nach spätestens einer Stunde Schlaf weckt ihn die
Hitze und er geht nach draussen, dreht seine Runden durch das tiefruhige, ausgestorbene Dorf, in der Hoffnung, vielleicht doch noch einmal etwas Ruhe zu finden.
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